Transe Gaule

In 18 Tagen von Roscoff an der Atlantikküste über 1150 km ans Mittelmeer nach Gruissan Plage

(15.08.2007 – 01.09.2007)

Noch im letzten Jahr konnte ich mir nicht vorstellen, an so einem Lauf teilzunehmen, geschweige denn, ihn erfolgreich zu beenden. Wie bin ich darauf gekommen? 2006 habe ich mit Achim Barthelmann am Fulda-Höhenlauf von Harald Heyde teilgenommen und wir haben abends beim Bier oft über Deutschland- und Trans-Europa-Lauf geredet, an denen Achim organisatorisch maßgeblich beteiligt und verantwortlich für die Streckenführung ist. Das geht einem dann ein paar Monate durch den Kopf und man überlegt, wie das laufen könnte. Dann hörte ich von Günter Meinhold, daß er am Transe Gaule teilnehmen wollte. Das bestärkte mich noch zusätzlich, zumal der Deutschlandlauf von meiner dienstlichen Urlaubsplanung bei der Hamburger Hochbahn her nicht in 2007 möglich war.

Ende März habe ich mich dann bei Jean Benoit Jaouen für die Frankreich-Durchquerung angemeldet, nachdem ich mir das alles im Internet genauer angesehen hatte. Die Meldeliste enthielt auch schon 14 deutsche Läufer, davon viele 100 MC Mitglieder. Meine Vorbereitung war im Grunde schon vorher angelaufen mit relativ vielen Marathons mit hohem Ultra-Anteil, LüHa Fun Run im Februar, dann Rennsteig Langer Kanten, MUM Ultra-Serie in Tschechien, zwei 24h Läufe, Wildbahn-Etappenlauf. Beim Start des Transe Gaule hatte ich dann immerhin 49 Marathons incl. Ultras in 2007 beendet, mein Gewicht um 8 kg reduziert und in den letzten Wochen das tägliche Training eingeführt.

Am Montag, dem 13.08. frühmorgens ging mein LH-Flug nach Paris Charles de Gaulle und weiter mit dem TGV (Train Grande Vitesse) über Rennes nach Morlaix. Sigrid Eichner war gleichzeitig eingetroffen und wir wurden mit dem Auto abgeholt, so daß wir ca. 18 h in der Turnhalle in Roscoff eintrafen. Es waren schon einige Läufer, der Organisator J.B. , Betreuer und Helfer da. Schlafsack und Isomatte auspacken, und abends erste Besichtigung von Roscoff, direkt am Atlantik / Ärmelkanal liegend. Am nächsten Tag hat man noch Gelegenheit, sich mental auf den Lauf einzustellen, nicht zuletzt auch bei der Vorstellung der 40 Starter und der vielen Helfer. Abends gemeinsames Essen im Restaurant Angleterre.

Endlich, am Mittwoch, 15. August um 8 h bei Hochwasser erfolgt der Start am Hafen durch den Bürgermeister. Alle Teilnehmer werden noch einmal kurz vorgestellt. Ich fülle eine kleine Flasche mit Atlantikwasser, die ich über alle Etappen mit mir zum Ziel bringen will. Die ersten 6 km werden ohne Zeitnahme gemeinsam zurückgelegt bis nach St. Pol de Leon, J.B.´s Heimatstadt. Dort erfolgt der Start mit Zeitnahme und bei teils sonnigem Wetter laufen wir die erste Etappe nach Plounevezel über gesamt 68 km.

Danach läuft alles so oder ähnlich ab wie bei allen folgenden Etappen: Zieleinlauf in Plounevezel auf dem Marktplatz gegen 16:30 h durch das rote Transe Gaule Zieltor, es gibt Bier und Cola, dann eventuell ein Finisher-Foto, zu Fuß oder ggf. mit Autotransfer zur Halle, das Reisegepäck (bei mir großer und kleiner Rucksack) nehmen, Schlafplatz in der Halle belegen (wenn man Glück hat, bekommt man noch eine Turnmatte als Unterlage), duschen, gleichzeitig die Laufkleidung durchwaschen und zum Trocknen aufhängen.

Nun setzt man sich an die von den Helfern aufgebauten Tische, nachdem man sich ein Bolino (so ähnlich wie 5-Minuten-Terrine) zubereitet hat. Bei Bedarf kühlen der Achillessehne usw. mit Eisbeuteln. Nächste Station Massage bei Monique, sehr zu empfehlen! Dann bin ich immer noch losgegangen, um mir die Stadt anzusehen und Postkarten zu schreiben. Außer mir konnte sich dazu nur noch Ulrich Zach regelmäßig aufraffen. Nach dem Zieldurchlauf aller Teilnehmer (das hat sich hingezogen!) hat J.B. immer sehr schnell die Tages- und Gesamtwertung auf dem LapTop erstellt und ausgehängt sowie ins Internet gestellt, so daß leider Gott sei Dank alle lieben Laufkollegen in Deutschland sehen konnten, wie gut oder schlecht man die durchschnittlich 63,8 km langen und 820 Höhenmeter enthaltenden Etappen bewältigt hatte.

An jedem 2. Tag ging man dann auf eigene Faust in Gruppen, die sich zusammenfanden, in ein Restaurant zum Essen, vorzugsweise Italiener oder französische Küche. Bei unserem Holländer Bram lief das folgendermaßen ab: Er macht der Bedienung mit mehr oder weniger gutem Französisch klar, daß er 2 Pizzas essen wolle, und zwar erst eine Pizza z.B. mit Salami, und wenn die alle ist, dann soll die nächste, z.B. Quattro Stagioni, serviert werden. Ich habe manchmal auch 2-fach bestellt, z.B. Steak mit Pommes und dann Nudeln. In einigen Lokalen kennt man das schon aus den Vorjahren, aber manchmal dachten die, wir spinnen. An den übrigen Tagen gab es gemeinsames Essen in der Halle oder im Restaurant. Es war empfehlenswert, um 21 h, spätestens um 22 h im Schlafsack zu liegen.

Denn: Am nächsten Morgen um 4:45 h klingelt der Wecker bzw. piept die Uhr, um 5 h geht das Licht an, dann frühstücken, Zähne putzen, Schlafsack einrollen, Sachen packen und abgeben, Briefing um 6:15 h mit Infos zur heutigen Etappe (wo sind die Verpflegungsstellen -alle 10 bis 15 km- , wie ist das Höhenprofil, gefährliche Passagen durch Autoverkehr usw.).

Um 6:30 h ist der Start immer dort, wo am Vortag das Ziel war. So durchläuft die Transe Gaule – Karawane auf den ersten Etappen also die rauhe Bretagne mit den Stationen Pontivy, Guer (75er Etappe), Chateaubriant (sehr schönes Schloß), St. Georges sur Loire. Nach dieser 5. Etappe hat sich das Feld bereits auf 36 reduziert, und es sollten schließlich in Gruissan Plage noch 31 von 40 gestarteten Ultras ankommen. Kleine Auswahl der Ursachen: Totale Erschöpfung, Leistenbruch, Knöchel verstaucht, Entzündung am Schienbeinansatz, dickes Knie.

Die 6. Etappe beginnt mit der Überquerung der Haupt- und Nebenarme der Loire, dann hinauf in die Weinberge. Es gibt jeden Tag mindestens irgendeine Besonderheit. In Angles sur l´Anglin nach der 8. Etappe finden wir die „härteste“ Dusche der Tour vor: Ein Gartenschlauch mit kaltem Wasser. Ja, nur die härtesten kommen durch! Nach der 11. Etappe in Peyrelevade werden wir alle vom Bürgermeister im Gemeindehaus zu einem kleinen Begrüßungstrunk (kam öfter vor) und anschließendem reichhaltigem Essen incl. Rotwein eingeladen. Nach dem Einstieg in das Massif Central ist das hier aber auch die schmutzigste Halle (keine Matten), also eine möglichst großflächige französische Tageszeitung kaufen und unterlegen. Ja, nur die härtesten……

Auf Etappe 13 nach Aurillac überlaufen wir den höchsten Punkt der Tour, den Col de Legal, 1231 m, bei Temperaturen um 30°. Die 16. Etappe enthält dann ein paar km vor dem Ziel die lang ersehnte 1000 km- Marke. Am nächsten Tag nach St. Pons de Thomieres wird den 31 Gaulisten noch einmal alles abverlangt, diese 70 km- Etappe mit der höchsten Höhendifferenz bietet + 1300 –1340 Hm. Das fällt nicht nur mir heute schwer bei mehreren Anstiegen auf ca. 900 m, dann noch ein starkes Schlußgefälle von ca. 10 km Länge.

Die 18. und letzte Etappe wird uns nun am Sonnabend, dem 1. September endlich wieder ans Meer führen, über einen Paß hinab, durch Weinfelder, es wird immer flacher, viele endlose km führen an einem schönen, aber fürchterlich geraden Kanal entlang, und die 72 km scheinen nicht enden zu wollen. Dann sieht man den Ort Gruissan mit der markanten Burgruine vor sich, aber Gruissan Plage befindet sich noch dahinter, es geht eine lange Promenade entlang, bis endlich das rote Zieltor des Transe Gaule auf dem breiten Sandstrand die Finisher würdig begrüßt, zusammen mit den Betreuern, Helfern und schon angekommenen Läufern. Nach dem Zieldurchlauf überreicht J.B. mir das Finisher-T-Shirt mit einem * Stern (1x gefinisht).

Nun kommt noch ein großer Moment. Ich gieße das Wasser aus Roscoff aus der kleinen Flasche feierlich ins Mittelmeer und fülle die Flasche zum Andenken mit Eau Mediterranaire. Heute ist alles etwas anders, zunächst wie immer das Lager in der Halle aufschlagen und duschen, eine Kleinigkeit essen und trinken. Dann aber: Die Siegerehrung! Alle Finisher bekommen das große Transe Gaule- Abzeichen und viel Anerkennung, noch mehr wird fotografiert, danach das Abendessen bei gutem Wetter draußen auf dem Vorplatz, Paella und reichlich Rotwein. Die Stimmung ist gut wie während aller Etappen. Morgen früh dürfen wir alle endlich mal wieder etwas länger schlafen und dann gemütlich in der Boulangerie frühstücken.

Meine Rückkehr nach Deutschland ist erst für Montag vorgesehen und so suche ich mir ein Hotelzimmer, was nicht schwer ist, denn die Franzosen haben zum Ende der Sommerferien geschlossen und fluchtartig den Ort verlassen. Ich besichtige die Burgruine auf dem Felsen inmitten von Gruissan, schreibe noch ein paar Kartengrüße und lasse es mir gut gehen. Abends zum Abschluß noch ein gutes Essen im Straßenrestaurant. Am 3. September morgens verabschiede ich mich mit dem Bus endgültig vom Transe Gaule und fahre nach Montpellier. Der TGV bringt mich schnell nach Paris Charles de Gaulle, um 19:30 h fliege ich nach Hamburg, Gunla holt mich ab und wir gehen in Hittfeld noch ins Restaurant, natürlich zum ….. Italiener.

(Dietrich Eberle)

P.S.
Meine Gesamtzeit war 138 h 47 min 13 sec
Gesamt 12. von 31 Finishern

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