(03.10.2010)
Diesen Lauf hatte ich schon lange auf meiner Wunschliste, nicht nur wegen Nessie, sondern auch für mein 32. Marathonland Großbritannien, wenn auch sicher die Schotten sich gerne als eigenes Land zählen würden. So startete ich dann Freitag morgen mit der Metronom Eisenbahngesellschaft von Harburg nach Bremen, mit der Straßenbahn Nr. 6 zum Flughafen und mit Ryanair nach Edinburgh. Ein Airport-Shuttle-Bus bringt mich zur Weverley Station und weiter geht´s mit einem Dieselzug auf einer aussichtsreichen Fahrt durchs schottische Hochland nach Inverness, dem Zielort des 3. Loch Ness Marathons. Ich habe in einem Hostel direkt am Schloß und mit Blick auf den River Ness 2 Nächte im Mehrbettzimmer gebucht, ebenso preiswert wie der Flug.
Inverness ist der Hauptort des nördlichen schottischen Hochlandes und sehr lebendig, natürlich mit vielen urigen Pubs und alten und interessanten Gebäuden. Ich werde mit Regenwetter und ungemütlichem Wind empfangen. Der River Ness führt jetzt viel Wasser und fließt zum Teil über kleine Stromschnellen vom Loch Ness durch Inverness in den Moray Firth als Verbindung zur Nordsee. Nach Pub-Erkundungen am Freitag abend zeigt sich Inverness am Sonnabend von seiner Sonnenseite, gut zum besichtigen und fotografieren, außerdem will ich die Startunterlagen am Zielbereich abholen.
Es sind am Flußufer große Zelte auf dem Sportgelände aufgebaut, und die Starterlisten zeigen ein Teilnehmerfeld von über 4000 Läufern, das hier morgen an der lebensgroßen? aufgeblasenen Nessie-Attrappe ins Ziel einlaufen soll. Ich wandere dann noch entlang des Flusses, auf mehreren Fußgängerbrücken mit Stahlseil-Konstruktion kann man den River Ness überqueren, der auch ein paar kleine Inseln in rasantem Tempo umfließt.
Der Laufmorgen am Sonntag beginnt früh, ich mache mich im Hostel gleich startklar und packe meinen Klein-Rucksack, er ist vom Dead-Sea-Ultra in Jordanien, der meinem Anspruch würdig ist als Ausrüstungs- und Gepäck-Minimalist. Nach ca. 1,5 km erreiche ich den Abfahrtsbereich der zahlreichen Busse, z.T. Doppeldecker, die die Läufermassen pünktlich um 8 Uhr zum Start fahren werden, irgendwo im, wie sich herausstellen wird, unwirtlichen und einsamen Hochland. Ja, es regnet hier, 450 Höhenmeter über Inverness, auf der langgezogenen Straße mit dem Startbogen und den Zeitmeßmatten. Der Wind ist frisch bei Temperaturen knapp über 10°. Wir sind erst 9:20 Uhr hier nahe Fort Augustus angekommen und für einige, die sich noch umziehen müssen, wird es knapp, denn das Gepäck muß noch einige hundert Meter vom Start an den LKW´s abgegeben werden.
Beim Start um 10 Uhr ist wie immer mein für Nichteingeweihte nur schwer lesbarer Hahn-Zeiten-Zettel dabei. Der Veranstalter peitscht seine Worte durch den Lautsprecher so wie der Regen die Läufer. Es geht die ersten 10 km mit großem Hallo bergab, viele scheinen zu glauben, das geht bis zum Ziel so weiter. Die anfangs niedere Vegetation geht dann in regenverhangenen Wald über, als man das südöstliche Ufer des langgestreckten Loch Ness erreicht. Nach 21 km und 2:16 h hört schließlich der Regen auf und es beginnt aufzuklaren. Der See erlaubt jetzt sehr schöne Ausblicke. Es geht immer auf dem jetzt abtrocknenden Asphalt auf und ab, Verpflegungsstationen gibt es alle 5 km. Nessie hat keiner gesehen, aber das ist ja gerade das besondere an dem sagenumwobenen Seeungeheuer.
Dann passiert das, womit man immer rechnen muß. Auf den letzten 12 km gibt es noch ein paar saftige Steigungen, und einige, die mich bis jetzt mit Bravour überholt hatten, sehen mich zum 2. Mal. Ich laufe konstant durch und die Hahn-Zeit 4:37 scheint möglich zu sein. Die letzten km ziehen sich entlang des River Ness bis in die Stadt, über eine Brücke ans Nordufer und wieder in der Gegenrichtung den letzten km ins sonnige Ziel, Hahn 4:36 h bei +260 und -710 Hm, dann Medaillenverleihung und Finishershirt. Wie die Ergebnisse später zeigen, sind ca. 2500 Läufer ins Ziel gekommen, die Differenz zu den 4000 gemeldeten müssen nicht gestartete und ausgeschiedene unter sich ausgemacht haben.
Geduscht wird im nahegelegenen Sportzentrum. Das gegen Essenmarken angebotene, nach Schottenart karge Mahl macht mich nicht satt und ich gönne mir für 4 Pfund ein mit reichlich Spanferkel belegtes Brötchen und außerdem 1 Pint (über ½ Liter) sehr dunkles Bier (kein Guiness!).
Irgendwann muß ich dann zum Bahnhof von Inverness. Am späten Nachmittag bringt mich der Zug wieder bequem zurück nach Edinburgh, wo ich für diesen Abend keine Unterkunft gebucht habe, sondern gleich weiter zum Flughafen fahre. Mein Abendessen sind 2 Sandwiches im Cafe, dann mache ich mich auf leidlich bequemen Bänken lang , den Rucksack als Kopfkissen, und es gelingt mir, etwas zu ruhen. Bevor um 4 Uhr der Zugang zu den Gates öffnet, verbrauche ich die restlichen Pfunde für ein Croissant und eine Riesentasse Capuccino. Um 6:20 Uhr geht der Flieger nach Bremen, dann guter Bahn- und Busanschluß und Ankunft am späten Vormittag in der Uhlandstraße 41 in Hittfeld. Ein erlebnisreiches Wochenende mit einem schönen und interessanten Marathon!
(Dietrich Eberle)